Was ist bloß mit Mama los? Wenn Eltern in seelische Krisen geraten
von Karen Glistrup
72 Seiten, Kösel Verlag, 16,00 €
ISBN: 978-3-466-31020-3

In Deutschland hatten im letzten Jahr nach aktuellen Erkenntnissen ca. 27,7% der Bevölkerung eine psychische Erkrankung. Das ist mehr als jeder Vierte! Wenn in einer Familie ein Erwachsener psychisch erkrankt, stellt sich zusätzlich die Frage, wie das für die Kinder ist.

 

Als systemische Therapeutin arbeite ich regelmäßig mit Menschen, die psychisch krank sind und mit deren Familien. Dabei erlebe ich oft, wie hilflos und unsicher die Erwachsenen sind, wenn es darum geht, mit dem Kind über ihre Krankheit zu sprechen. Oft versuchen sie, die Krankheit vor dem Kind zu verstecken, zum Teil aus Scham, aber oft vor allem, um es zu schützen. Doch häufig passiert das Gegenteil. Kinder spüren deutlich mehr, als wir denken. Sie haben ein beinahe seismographisches Gespür dafür, wie es ihren Eltern geht. Und sie spüren genau, wenn es ihren Eltern nicht gut geht. Wenn dann darüber geschwiegen wird oder bei Fragen des Kindes das Thema verharmlost wird, ist das für Kinder sehr verunsichernd. Oft entstehen bei den Kindern unklare Schuldgefühle oder die Kinder übernehmen Verantwortung, die für ihre kleinen Schultern noch viel zu schwer ist. Wie aber kann man in der Familie einen guten Umgang damit finden?

 

Das Buch „Was ist bloß mit Mama los?“ von Karen Glistrup ist ein wunderbarer Leitfaden dafür. Die Autorin arbeitet seit vielen Jahren mit Familien, in denen ein Elternteil psychisch krank ist und begleitet diese Familien.

 

Es ist kein Buch, das man Kindern einfach vorliest (von denen es inzwischen glücklicherweise einige gute Bücher zu kaufen gibt). Dieses Buch geht darüber hinaus und erklärt endlich das, was dringend notwendig ist: wie rede ich mit meinem Kind über meine Krankheit? Dabei findet Karen Glistrup einen wunderbaren Ton, der weder zu schwer oder gar dramatisierend, noch verharmlosend ist. Sie findet einen zugewandten, mitfühlenden Ton, bei dem man sich gut aufgehoben und verstanden fühlen kann.

 

Das Buch erklärt mit einfachen klaren Worten, was überhaupt eine psychische Krankheit ist und welche Krankheiten es häufig gibt, wie funktioniert das Gehirn eigentlich, wer hat Schuld, wie ist das mit den wechselnden Stimmungen und Gefühlen und ist das ansteckend? Was kann helfen? Dazu findet man einfache Illustrationen, die die unterschiedlichen Themen bildhaft deutlich machen und die auch kleinere Kinder ansprechen. Dazu gibt es dann jeweils Erklärungen für Kinder, die die Dinge rund um das Thema einfach und verständlich machen. Andere Texte sind für die Eltern oder auch Jugendliche und erklären, warum es so wichtig ist, darüber zu reden und wie das gelingen kann. Dieses Buch hilft, die Schuld und Scham und die damit verbundene Sprachlosigkeit zu überwinden und in der Familie einen Weg zu finden, damit umzugehen.

Mein Fazit:

 

Ich kann jeder Familie, in der ein Elternteil eine psychische Erkrankung hat, dieses Buch ans Herz legen. Sie können damit die ganze Familie stärken. Aber auch wenn Sie Freunde oder Familienmitglieder haben, die betroffen sind, und denen Sie helfen möchten, ist dies ein wunderbarer Einstieg – für die eigene Orientierung und für den Einstieg in ein Gespräch darüber. Ein wichtiger Beitrag, um ein so weit verbreitetes Thema weiter zu entstigmatisieren.

 

Steffi Baumgart

 

Wenn Steffi Baumgart nicht in der Buchhandlung Kapitel 8 ist, dann arbeitet sie in Falkensee in eigener Praxis für systemische Einzel- und Familienberatung und unterstützt unter anderem Eltern und Familien beim Umgang mit psychischen Erkrankungen, zum Beispiel in Einzel- oder Familiengesprächen oder auch in der Arbeit mit Kindern, um diese zu stärken.

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